Die Batterien des Walkmans wechseln, samstags Verstehen Sie Spaß mit Paola und Kurt Felix sehen und Boris Becker gewinnt Wimbledon. Es sind die 80er Jahre – Wohlstandsära unter Helmut Kohl, in der auch ich aufgewachsen bin. Das hört sich erst einmal harmlos an, ist es aber nicht, zumindest für die Familie Frank, um die es in „So, und jetzt kommst du“ geht.
Vater Jürgen möchte auch ein Stück vom Wohlstandskuchen abhaben – und er nimmt es sich. Er veruntreut 300.000 DM, verprasst diese mit seiner Frau Jutta und wird von Interpol und der Polizei durch halb Europa verfolgt. Ein Katz- und Mausspiel, das mich spontan an Bonnie und Clyde erinnert – nur, dass im Fall von Jürgen und Jutta das schlimmste Verbrechen darin besteht, wie rücksichtslos sie mit ihren drei Kindern umgehen. Diese werden in der Regel belogen und betrogen, und je nach Finanzlage verhätschelt und verwöhnt oder einfach sich selbst überlassen.
Die Kinder erklären sich auf ihre Weise, was ihnen geschieht. Jeany phantasiert, der Vater müsse einen Zauberstift besitzen, denn alles, was er damit in der Zeitung markiert, materialisiere sich auch in Wirklichkeit: ein Haus, ein Auto, ein Mofa… Doch der heitere Teil der Geschichte schlägt irgendwann in puren Schrecken um. Tiefpunkt Lissabon: die Familie vegetiert in einem tristen Hotelzimmer, dass sie sich nicht leisten können, vor sich hin:
„Manchmal denke ich, dass in unser Zimmer neue Gäste einziehen könnten, ohne uns zu bemerken“, sagt der Sohn. „Sie würden zwischen uns leben, ohne uns wahrzunehmen, weil wir uns allmählich in Gespenster verwandelt haben. Wir wirken auf nichts ein, nichts wirkt auf uns ein.“
Immer wieder gilt es, bei Nacht und Nebel in ein Auto zu steigen und die Stadt und das Land zu verlassen. Am Ende einer Odyssee durch Europa fällt der kleinen Jeany nichts anderes mehr ein, als in den Absteigen, wo sie kurzzeitig unterkommen, Zettel fallenzulassen mit nur einem Wort darauf: Hilfe.
Starker Tobak, den Arno Frank (geb. 1971 in Kaiserslautern) uns hier in einer schnörkellosen und klaren Sprache anvertraut. Es sei seine eigene Familiengeschichte, die er hier verarbeitet, sagt er. Am Ende frage ich mich – und das, ich gebe es zu, aus reiner Neugier: Wieviel Arno Frank steckt tatsächlich in diesem Buch? …
Arno Frank: So, und jetzt kommst du, Tropen, 352 Seiten, Mai 2017.