Ich habe mir den Finger verletzt. Ich weiß gar nicht wie, ein kleiner Schnitt nur, aber es pocht jetzt an der Stelle. Sofort denke ich daran, welche Bakterien nun durch die Wunde in meinen Körper gelangen – und schon bin ich mittendrin im neuen Buch von John Green.
„An der Anzahl der Zellen gemessen besteht der Mensch zu über 50 Prozent aus Bakterien, was bedeutet, dass die Hälfte der Zellen, die zu uns gehören, gar nicht unsere sind. (…) Zugegebenermaßen leide ich unter einer Angststörung, aber ich finde es nicht irrational, wenn einem die Vorstellung zu schaffen macht, eine mit Haut überzogene Bazillenkolonie zu sein.“
Die 16jährige Aza Holmes leidet unter Zwangsstörungen. Regelmäßig verletzt sie ihre Fingerspitze und desinfiziert dann die Wunde, damit keine Bakterien eindringen können. Dabei besteht ihr Körper ja schon zur Hälfte aus ihnen. Was sie immer wieder zweifeln lässt, wer eigentlich das Sagen hat: Sie oder die Bakterien? Wie ist es um ihren freien Willen bestellt? Außerdem ist sie besessen davon, sich eine ansteckende Krankheit zu holen. Diese „fiesen Gedanken“ machen es ihr schwer, ein normales Leben zu führen. Zum Glück ist da noch ihre Freundin Daisy. Sie ist es, die Aza drängt, Kontakt zu Davis aufzunehmen, einem reichen Millionärssohn, dessen Vater plötzlich spurlos verschwunden ist. Was sich daraus entspinnt, ist eine Geschichte um die erste Liebe, über psychische Störungen, Freundschaft, elterliche Vernachlässigung, Tod und Verlust – sicher habe ich in der Aufzählung noch etwas vergessen (…).
Ich habe auch eine Menge Ticks und ich fand die Geschichte um Azas Seelenleben brilliant erzählt. Der Plot drumherum überzeugt mich allerdings nicht. Zu viele Themen und zu wenig Inhalt. Die Kriminal- und auch die Liebesgeschichte bleiben dünn und dienen nur als Beiwerk. Bei Davis hatte ich gehofft, dass hinter seiner glatten Oberfläche noch eine dunkle Seite schlummert. Leider bleibt er so harmlos, wie er von Anfang an erscheint.
Wegen Aza finde ich das Buch lesenswert, an die Handlung sollte man nicht allzu viele Ansprüche stellen.
PS: Ach ja, und eine furchtbare Übersetzung des Buchtitels! Der musste wohl zum „miesen Verräter“ passen. Turtles all the way down ist eine Anspielung auf eine Geschichte, die im Buch erzählt wird: Die Erde steht auf Schildkröten bis untenhin. Daraus ergibt sich eine Spirale. Eine Spirale kann immer enger werden oder sich nach außen hin weiten – es kommt dabei immer auf den Blickwinkel an.
John Green: Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken, Hanser Verlag, 288 Seiten, November 2017.