Oligarchen-Laminat. Über mehrere Seiten doziert Jan Weiler über ein sündhaft teures Parkett, dass aus japanischen Bonsai gefertigt wird und so fragil ist, dass Einbau, Belüftung und Instandhaltung ein Vermögen kosten. Ich habe ihm jedes Wort abgenommen. Warum nicht? Russische Oligarchen, Londoner Banker und eben Münchner Schickeria, die sich für mehrere tausend Euro pro Quadratmeter diesen Boden einbauen lassen – Das sind solche wie das Ehepaar van Hauten, das auf ihrem Hof über Pflastersteine aus Dubrovniks Innenstadt schreitet.
Dies ist nur eine kleine Episode am Rande. Ich fand sie äußerst unterhaltsam. In einigen Rezensionen wurde kritisch angemerkt, dass Jan Weiler manchmal zu dick aufgetragen hätte – geradezu klischeehaft und stereotyp. Das mag sein, aber es liest sich einfach so unfassbar gut!
Der Kriminalfall, den Kommissar Kühn zu lösen hat, spielt in unterschiedlichen Welten, in der es eigentlich keine Schnittmenge gibt. Julja van Hauten stammt aus einer reichen Familie aus Grünwald, der Vater Patentanwalt, die Mutter Charity-Woman in Vollzeit. Bei einem Wohltätigkeitsprojekt, das sich der Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund widmet, begegnen sich Julja und Amir. Die beiden verlieben sich. Amir, der Plattenbau-Romeo mit krimineller Vorerfahrung, findet auf den Pfad der Tugend und den Weg in die Villa der van Hautens, wo er mit offenen Armen empfangen wird. Das Märchen ist abrupt zu Ende, als Amir Bilal zu Tode geprügelt wird.
„Kühn blieb auf Abstand. Ihm war nicht danach, den toten Körper aufzuscheuchen. Eine Leiche war ja immer noch ein Mensch, nur tot, aber Mensch. Er kannte Kollegen, die sich einem Verbrechensopfer näherten wie einer Käseplatte, mit Appetit und ungestümer Lust am Umdrehen, Wenden, Ansehen, Prüfen. Manche sahen die Leiche als Herausforderung, sie wollten ihr Informationen entnehmen, sie für die Ermittlung gleichsam ausweiden, als sei sie nichts als eine Überbringerin von Nachrichten, die schließlich zum Täter führten. Kühn mochte das nicht, denn es nahm dem Opfer die Würde. Und es setzte einen Prozess fort, der häufig mit der Tötung begonnen hatte: der Verdinglichung.“
Martin Kühn ist eine starke Figur, die nicht frei von Fehlern und Schwächen ist, gleichzeitig aber durch Haltung klare Kante zeigt. Ich nehme ihm die Polizeiarbeit ab, jedes Verhör, jede Recherche und auch seine raubeinige Art, die nicht dazu dient, sich bei anderen beliebt zu machen (außer bei mir als Leserin). Dazu kommt, dass die Probleme der Webersiedlung, in der Kühn selbst wohnt, noch längst nicht geklärt sind. Die Siedlung ist auf Giftmüll entstanden, der bereits die Keller verseucht hat. Außerdem erhält die rechte Bürgerwehr immer mehr Zulauf, dessen Anführer Leitz bereits eine Vorgeschichte mit Kühn hat… Da braut sich noch etwas zusammen, genug Stoff für weitere Geschichten.
Ich freue mich schon auf den nächsten Kühn! Den gibt es dann wann, Jan Weiler?
Jan Weiler: Kühn hat Ärger, Piper Verlag, März 2018, 400 Seiten.
Jan Weiler: Kühn hat zu tun, 2015.