Daniela Krien ist keine neue Autorin auf dem großen Markt der Bücher, nur für mich ist sie neu. Ihr Roman Einmal werden wir uns alles erzählen und der Erzählband Muldental (beide Werke hochgelobt und ausgezeichnet) sind an mir vorbeigegangen – ich werde das Lesen nachholen. In diesem Jahr kommt niemand an Daniela Krien vorbei, da müsste man schon Augen und Ohren schließen. Überall hört und sieht man Die Liebe im Ernstfall. So auch hier, bei mir.
Ich mochte ihn. Der Roman verbindet die Geschichten von fünf Frauen in einer sehr lockeren, ungezwungenen Art und Weise: Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde. Sie können unterschiedlicher nicht sein: Paula, die Buchhändlerin, die sich in einen asketischen Weltverbesserer verliebt, Judith, die ehrgeizige, aber einsame Ärztin, der ihr Pferd nähersteht als viele der Menschen, die sie umgeben, Brida, die exzentrische Schriftstellerin, die am Modell der offenen Beziehung scheitert, und die Geschwister Malika und Jorinde, die nicht nur schwierige Partnerschaften durchleben, sondern auch Eltern- und Geschwisterkonflikte mit sich herumtragen. Viel Spielraum für die Protagonisten sich zu verlieben, sich zu binden und zu scheitern.
Brida verlässt das Zimmer auf Zehenspitzen und legt sich noch einmal hin. Sie friert, und ihr Herz schlägt wild. Wie lange kann es so schlagen? Wie lange hält es diesen Takt aus? Dieses Herz wird sie töten. Es wird stehenbleiben. Einfach so. In einem Augenblick vermeintlicher Sicherheit. Es ist kein gutes Herz. Es ist ein verdorbenes und dummes Herz. Es war den falschen Fährten gefolgt und hatte sich von den falschen Stimmen locken lassen. Es wird stehenbleiben, weil es verdient hat, stehenzubleiben. (…) Sie muss mit Götz sprechen. Einen letzten Versuch unternehmen. Sie hat mehr in die Waagschale zu werfen als Svenja. Zwei gemeinsame Kinder und den besten Sex seines Lebens.
Mir gefällt der Ton des Romans. Kurze Sätze, knapp und pointiert. Die Frauen werden äußerlich und innerlich fein gezeichnet. Mit jeder von ihnen kann ich mitfühlen. Und jeder ist ein Kapitel gewidmet. Der Roman hätte auch ein Erzählband werden können. Die Geschichten stehen für sich. Aber das lockere Band, das sie miteinander verknüpft, gibt ihnen noch eine neue, tiefere Facette. Da laufen Erzählstränge ineinander und wieder voneinander fort. Durch die verschiedenen Blickwinkel auf das, was den Menschen in ihren Geschichten geschieht, weitet sich der Blick. Da ist kein Raum für Schwarz-weiß-Malerei.
Eine Kleinigkeit hat mich dennoch genervt: Im Hintergrund aller Geschichten läuft „meistens“ klassische Musik – vielleicht soll das ein verbindendes Element sein? Die Protagonisten spielen entweder selbst ein Instrument oder hören, wann immer es geht, Mahler, Haydn oder – wenn es mal modern wird – gepflegten Jazz. Es sind die Geschichten der gut situierten Kulturbürger. Die Namensgebung unterstreicht das: Es ist die Welt von Undine, Hermine, Brida, Jorinda, Götz, Wenzel … Das ist für mich manchmal etwas zu viel des Guten.
Daniela Krien, Die Liebe im Ernstfall, Diogenes, 2019, 288 Seiten.