Im Buchladen hätte ich mir Love to Share nicht ausgesucht. Es ist nicht das typische Genre, aus dem ich Bücher wähle. Aber als Hörbuch war es ein kleiner Klick und – ohne weiter darüber nachzudenken – hatte ich eine Liebesgeschichte heruntergeladen.
Zum Buch, das bei lovelybooks mehr als 300 Bewertungen mit fast ausschließlich voller Sternchenzahl erhalten hat, muss ich wahrscheinlich gar nicht viel schreiben. Wer kennt dieses Buch nicht? Love to Share von Beth O’Leary gilt als der „Sommer-Hit“. Die Autorin, die Englische Literatur studiert hat und in einem Kinderbuchverlag gearbeitet hat, wirkt so unglaublich sympathisch. Ihr Roman wurde in 35 Länder verkauft. Was für ein Erfolg! Beth O’Leary wird als neue Jojo Moyes gehandelt (ich habe noch nie ein Buch von ihr gelesen, sorry), bei amazon werden mir unter „Kunden kauften auch“ Bücher wie Cinder & Ella, Kiss me once und Sterne sieht man nur im Dunkeln angezeigt. Da bleiben keine Fragen offen, oder? Ich surfe durchs Netz auf der Romantikwelle und bin überrascht, wie unglaublich groß und beliebt dieses Genre ist.
Dabei hört sich der Plot von Love to Share an, wie schon einmal dagewesen: ein Mann und eine Frau, die sich nicht kennen und sich trotzdem, weil es so schön günstig ist, ein kleines Appartment teilen. Bis sie ein Liebespaar werden, dauert es gut 400 Seiten und nach etlichen Nebenschauplätzen und Verwicklungen gibt es das Happy End, das von Anfang an unstrittig war.
Die Hauptpersonen sind beide sehr „soft“, sehr lieb und liebenswert. Tiffy ist eine unterbezahlte Lektorin in einem Verlag, der DIY-Bücher verlegt. Mit „Häkel dich frei“ betreut Tiffy das Werk einer exzentrischen Autorin, die dank Social Media Hype zum Star wird. Tiffy hat mit diesem Projekt alle Hände vol zu tun, außerdem muss sie sich von ihrem Ex befreien, der sie nicht in Ruhe lässt und ihr das Leben schwer macht. – – Leon, der sein Appartment zur Hälfte an Tiffy untervermietet, ist ein Krankenpfleger auf der Hospizstation. Er besitzt ein großes Herz für seine Patienten und für seinen Bruder, der unschuldig im Gefängnis sitzt. – – Tiffy und Leon schaffen es den größten Teil des Buches, sich nicht über den Weg zu laufen. Das erinnert mich an Hollywood im Stil von Schlaflos in Seattle oder Email für Dich. (Kein Zufall, dass in beiden Filmen Meg Ryan, die Doris Day der 90er Jahre, die Hauptrolle spielt, oder?)
Was mir nicht ganz einleuchtete: Tiffy trägt sehr selbstbewusst auffallende, ja eigenwillige und sehr bunte Kleidung. In Bezug auf ihren Ex geht ihr jedoch jedes Fünkchen Selbstbewusstsein flöten. – – Leon ist sehr, sehr soft, ein Bedenkenträger, ein Spätzünder, einer der etwas länger braucht. Von daher erklären sich die 480 Seiten des Buches dann doch. – – Tiffy und Leon sind eigentlich zu gut für diese Welt: Sie haben einander verdient. Und obwohl sich das böse anhört, bin ich bis zum Schluss dabei geblieben.
Warum ist das so?
Ich kann mich herrlich über diese Art von Lektüre lustig machen – gleichzeitig habe ich dieses Buch von A bis Z durchgehört (ob ich es auch gelesen hätte? Keine Ahnung – zum Zuhören war es super).
Dieses Buch braucht keine FSK-Angaben. Es ist clean – sauber – keine „bösen“ Worte – keine schmutzigen Gedanken, (fast) kein Sex (dafür gibt es erotische Szenen, viel Vorspiel, bei dem in der Regel kurz vor dem Höhepunkt etwas dazwischenkommt – man kennt es).
Sehnen wir uns danach?
In den Schreibratgebern lese ich Tipps wie: Meiden sie Klischees, Allgemeinplätze und einen allzu vorhersehbaren Verlauf der Geschichte.
Aber bei Love to Share und all den Liebesgeschichten, die z.B. amazon nebenher empfiehlt, finden sich immer Kommentare wie: vorhersehbar, platt, simpel, Kalenderblattweisheiten, klischeehaft … ok, das sind scheinbar Einzelmeinungen und tut der hohen Leserzahl keinen Abbruch.
Fazit: Vergiss die Schreibtipps. Beim Liebesroman gilt: Es darf ein bisschen mehr sein. Viel Kuscheln, viel Klischee, viel Zuckerguss, etwas fürs Herz, ein Todesfall und am Ende wird geheiratet.
Seufz. Wollt Ihr das?
Ja.