Nichts für Kurzstreckenleser

Ich persönlich fasse mich gern kurz, denn heißt es nicht: In der Kürze liegt die Würze? Aber bei Stephen King darf es ein bisschen mehr sein. Er hat wieder einmal ein monumentales Werk im Backsteinformat vorgelegt: Das Institut. Bis die Geschichte Fahrt aufnimmt, braucht es einen gehörigen Anlauf. Komisch: Ich bin jede Zeile dabeigeblieben, obwohl ich gar kein ausgewiesener Stephen King Fan bin. Ich kenne durchaus Leser, die das Institut irgendwann abgebrochen haben, weil sie es langatmig und langweilig fanden.

Aber von vorn, ganz von vorn:

Die Erzählung beginnt mit Tim, der – einem spontanen Impuls folgend – seinen Sitzplatz im Flieger einer FBI-Agentin zur Verfügung stellt, danach per Anhalter weiterreist, sich hierhin und dorthin treiben lässt, bis er in dem kleinen Ort DuPray in South Carolina strandet, wo er einen Job als „Nachtklopfer“ annimmt (eine Art „Nachtwächter“ bei der örtlichen Polizei). Nach und nach erfährt man, dass Tim selbst einmal Police Officer war, dann kam es zu einem Zwischenfall, der seine Karriere beendet. Dass Tim einer von den Guten ist, steht aber von Anfang an fest. Stephen King führt mit Tim zu Beginn einen Protagonisten ein, der erst gegen Ende seinen großen Auftritt haben wird – er ist der sympathische Held aus der zweiten Reihe (das fand ich gut, natürlich auch sehr durchschaubar, aber okay…).

Dann bricht die Erzählung um Tim erst einmal ab. Es ist, als würde man ein neues Buch beginnen mit einer ganz anderen Geschichte. Luke Ellis betritt die Bühne. Luke ist 12 Jahre alt und mehr als hochbegabt: Mit 12 Jahren nimmt er an den Aufnahmeprüfungen gleich zweier Universiäten teil – und besteht. Doch bevor er sein neues Leben als Student beginnen kann, wird er nachts gekidnappt und seine Eltern kaltblütig ermordet. Diese Szene kommt so urplötzlich – quasi aus dem Nichts wie die Angreifer selbst – dass es mir an dieser Stelle kalt den Rücken runterlief.

Luke findet sich an einem Ort wieder, an den Kinder und Jugendliche verschleppt werden, die besondere Fähigkeiten besitzen. Dazu zählen vor allem die Fähigkeit zur Telekinese und Telepathie. Luke besitzt schwach ausgeprägte telekinesische Fähigkeiten, kann sie aber nicht bewusst steuern. Dafür arbeitet sein Verstand besser als der der meisten Menschen. (… zum Glück macht King aus den Kindern keine X-Men oder ähnliches, sondern lässt sie Kinder bleiben …) 

An den Insassen des Instituts – also den Kindern!!! – werden Experimente durchgeführt, die Stephen King selbst immer wieder mit den Menschenversuchen z.B. eines Josef Mengele vergleicht. An Kindern wurden im Dritten Reich grausame Versuche in Auschwitz durchgeführt. Ärzte, die doch den hippokratischen Eid geschworen haben, fügen Menschen bewusst Schmerzen zu, um sie zu studieren allein das ist schon Stoff genug …  – – Das Institut setzt alles daran, die übersinnlichen Fähigkeiten der Kinder zu erhöhen (und schreckt auch vor Folter nicht zurück), um sie dann in einem nächsten Schritt für ihre Zwecke ausbeuten zu können. Wie genau und wozu? Das sollte ich lieber nicht verraten, sonst ist die mühsam aufgebaute Spannung gänzlich flöten gegangen …

Was ich gut fand:

Stephen King erzählt durch die Augen eines hochbegabten 12jährigen Jungen, der es schafft, mit Witz und Scharfsinn andere für sich einzunehmen. So findet er Verbündete, die ihm helfen zu fliehen. Aber wer wird Luke das, was er erlebt hat, glauben und ihm helfen, seine Freunde zu retten? Seine Verfolger sind ihm dicht auf den Fersen … nun kommt Tim wieder ins Spiel. – –

Das alles liest sich mit einem langem Spannungbogen und einem großen Finale. Was mich gestört hat:

King beschwört mal wieder das amerikanische Heldentum, große Verschwörungstheorien und gibt seiner Geschichte – wie sooft – einen gesamtglobalen Anstrich, zieht Verbindungen zu weltweiten „Instituten“, die Kinder mit besonderen Fähigkeiten ausbeuten, um angeblich den Weltfrieden zu sichern. Weltfrieden? Ja, Weltfrieden. Hier geht es mit Stephen King etwas durch, finde ich. Wie in der „Herr der Ringe“-Verfilmung gibt es am Schluss mindestens drei Enden: immer wenn man denkt, das wäre aber nun  ein guter Schluss, gibt es noch einen Nachschlag.

Und was mir besonders aufgestoßen ist: High Noon in DuPray – dank der Bewohner der Kleinstadt, die bis unter die Zähne bewaffnet sind. Ein Hoch auf die amerikanische Waffenlobby – nein, bitte nicht! Dabei gefallen mir immer Kings Spitzen gegen Donald Trump …

Fazit:

Der neue Stephen King ist ein Buch im Backsteinformat. Der Inhalt wiegt nicht ganz so viel, wie das Buch auf die Waage bringt, doch der kluge wie liebenswerte Luke Ellis hat mich in seinen Bann gezogen. Ach ja, bald gibt es wohl die Serie zum Buch… aber das ist nun wirklich keine Überraschung!

Äh, ich halte mich gern kurz? Heute wohl nicht. Keine Ahnung wieso.

 

Stephen King: Das Institut, Heyne Verlag, 768 Seiten.

Mdr-Kultur über Das Institut

Hr2 Kultur Podcast

 

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