Der Gesang der Flusskrebse gehört zu meinen Lieblingsbüchern des Jahres. Dabei war es wieder einmal ein Zufallstreffer. Nicht alles, was empfohlen wird, hält, was es verspricht. Dieses Buch wurde von Rheese Witherspoon empfohlen, die sehr erfolgreich auf Instagram erzählt, was sie so liest und für gut befindet. Dieses Buch von Delia Owens hat sie ihren Followern sehr ans Herz gelegt: Kaufen! Und vermutlich hat ihr Aufruf dazu beigetragen, dass Delia Owens Romandebüt nicht nur in Amerika sondern mittlerweile auf der ganzen Welt gelesen wird.
Im Mittelpunkt steht das Leben von Kya. Kya ist erst sechs oder sieben Jahre alt, als erst ihre Mutter – ohne ein Wort – die Familie und vor allem den Ehemann verlässt, der sie regelmäßig verprügelt. Danach suchen Kyas ältere Geschwister das Weite. Nur Kya, als die Jüngste, hat keine andere Option, als in der ärmlichen Hütte zu bleiben, in der sie ihr bisheriges Leben verbracht hat. Sie versucht sich mit dem Vater zu arrangieren, geht ihm aus dem Weg, findet eine neue Nähe zu ihm, verliert sie wieder – bis der Vater auch verschwindet und nie wieder zurückkommt. Kaya ist endgültig auf sich allein gestellt. Wie kann ein Mädchen im Marschland North Carolinas überleben – ohne Familie, ohne Geld, ohne Hilfe, Förderung und Ausbildung – denn zur Schule geht sie nicht.
Die Marsch wird ihr zur Mutter. Das Marschland ist ein dicht bewaldetes, unbewohntes Sumpfgebiet mit Salzwiesen und Kiefernwäldern, das heute ein Naturschutzgebiet ist. In dieser unwirtlichen Gegend lernt Kya sich anzupassen. Sie lebt im Einklang mit der Natur und im Lauf der Gezeiten. Mit dem, was die Marsch ihr bietet, schafft sie es zu überleben. Sie wird von allen nur das „Marschmädchen“ genannt.
Schon als Kind beobachtet sie die Natur. Später wird sie zur Naturforscherin: Sie sammelt und katalogisiert alles, was sie sieht und findet. Der einzige Mensch, der ihr wichtig ist und ihr hilft, ist Tate, der Freund ihres älteren Bruders. Er bringt ihr das Lesen bei und versorgt sie mit Büchern. Als Tate sie verlässt, weil er ins Studium geht, erlebt Kya das Trauma des Verlassenswerdens erneut.
Um ihre Einsamkeit zu kompensieren, beginnt sie eine Affäre mit dem Schönling der Stadt – der kommt später ums Leben. Die Polizei vermutet einen Mord. Kya wird verdächtigt. Und plötzlich bekommt die Geschichte eine Wendung hin zu einem Kriminal- und Gerichtsfall, der – zum Glück! – an dieser Stelle nicht endet, sondern den ganzen Lebensbogen des Marschmädchen erzählt. (…)
Der Gesang der Flusskrebse ist ein Coming-Of-Age-Roman – aber er handelt nicht nur vom Erwachsenwerden, sondern ist gleichsam lebenssatt und weise, atmosphärisch tief und auch auf der Sachebene fundiert, denn Delia Owens ist selbst eine renommierte Zoologin. Sie behandelt die ganz großen Themen und Fragen: Was zeichnet uns Menschen aus? Wie gehen wir mit schwierigen (schwierigsten) Lebensumständen um und schaffen es, sie zu bestehen? Welche Ressourchen tragen wir dafür in uns? Was bedeutet Freundschaft?
Fazit: Wunderbar und lesenswert und berührend!
Delia Owens: Der Gesang der Flusskrebse, Hanser, 464 Seiten, 2019.
Catrin Lorch in der Süddeutschen
Hört sich super an. Ich bin in der Buchhandlung schon daran vorbei gelaufen und war schon da von dem schönen Titel fasziniert. Der Gesang der Flusskrebse. Naja, dann werde ich es wohl bald auch lesen. Danke für die schöne Rezension!
Liebe Grüße
Marleen
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Danke. – Natürlich ist es auch immer Geschmackssache … ich war positiv überrascht (und das ist nicht immer der Fall, wenn ich zu einem Bestseller greife). Liebe Grüße zurück, Tanja
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