Ich kann nicht anders …

Von Zeit zu Zeit packt es mich – ich kann nicht anders – und es sprudelt aus mir heraus: der Frust über die Buchbranche. Zwei fertige Romane liegen auf meinem Schreibtisch. Der eine ist bereits lektoriert. Und es hagelt Absagen mit Corona-Ausreden: Wir nehmen momentan keine neuen Werke an. Es hat sich durch Corona so vieles angestaut. Veröffentlichungen wurden verschoben. Nächstes Jahr vielleicht. Aber da erscheint ja bereits das, was dieses Jahr nicht gemacht wurde … Dass Verlage Absagen verteilen, kennt man, dass Agenturen noch nicht einmal ein Exposé in Augenschein nehmen wollen, ärgert mich. Natürlich: Ich schreibe schlecht, unterirdisch. Daran liegt es. Wahre Qualität setzt sich immer durch. – – Quatsch. Niemand weiß wirklich, welcher Stoff sich am Markt durchsetzen kann – außer dieses Computerprogramm: Der Bestseller Code.

Jodie Archer und Matthew Jockers forschen über Literatur. Sie fütterten ein Computerprogramm mit Bestsellerromanen, um daraus Gemeinsamkeiten abzuleiten. Was macht einen literarischen Stoff zum Bestseller? Eine Fülle an Daten wurden gesammelt, um diese Frage zu beantworten. Komplexe Bücherinhalte wurden zu Stichworten eingedampft und in Koordinatensysteme mit typischen Handlungslinien gepresst. Das Programm ist mittlerweile in der Lage, vier von fünf Bestsellern richtig zu erkennen. Es sagt nicht, wie man einen solchen zu schreiben hat, sondern ob sich im Text die typischen Bestsellermerkmale finden. Das Thema mache dabei ungefähr 30% aus. In den letzten Jahren lägen Themen aus dem Bereich moderne Technologie im Trend, wie z.B. Dave Eggers The Circle. Ein emotionaler Handlungsverlauf sei wichtig (wer hätte das gedacht?), als Beispiel dafür wird Fifty Shades angeführt – ein Roman, dessen ich mich bis heute erfolgreich verweigert habe. Wer jetzt denkt: „Sex sells“, der liegt laut des Computerprogramms falsch. Statt auf Sex läge der Bestsellerfokus auf menschlicher Nähe und vertraulichen Gesprächen. Weibliche Charaktere zeigten eine höhere Bestsellerwahrscheinlichkeit als männliche. Ansonsten decken sich viele Ergebnisse mit den üblichen Schreibtipps: Erzählt wird in der Regel in drei Akten, keine Schachtelsätze, keine Partizipien und Passivkonstruktionen, wenig Adjektive. – – Bemerkenswert fand ich, dass das Programm das, was Worte in uns Menschen bewirken können, sehr hoch bewertet. Wenn wir lesen, sind wir mit dem ganzen Körper dabei. Manchmal läuft es einem kalt den Rücken herunter, manchmal hat man schweißnasse Hände, Herzklopfen oder man empfindet wohlige Lust. Das alles habe ich beim Lesen natürlich auch schon erlebt. Mir leuchtet ein, dass ein guter Roman nicht nur den Kopf ansprechen sollte. Wie eine Autorin das schafft, bleibt die hohe Kunst des Schreibens und dem Algorithmus verborgen.

Das Fazit des Bestseller-Codes ist eher ernüchternd, denn im Großen und Ganzen kommt es auf eine ausgewogene Mischung an. Am Ende heißt es für mich als Autorin: Hier steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor …

Eigentlich müsste ich die Flinte ins Korn werfen. Aber ich kann nicht anders: Ich schreibe weiter. Ich schreibe Blogartikel. Ich schreibe hier meine Stories, die ich übrigens gerade sammle und in eine größere Rahmenhandlung setze. Der Plot geht ungefähr so: Kommt ein Lebensmüder zum Bestatter … Geschichten über Leben und Tod (welche körperlichen Reaktionen das wohl auslöst? …).

Wer es nicht ganz so morbide und skurril mag, schaut vielleicht bei meinem anderen Schreib-Ich vorbei: Auf helikopterfrauchen veröffentliche ich jede Woche ein neues Kapitel meines Online-Romans. Lila Grün. Stadt, Land, Hund. Übrigens: Laut des Bestseller-Algorithmus bringen Hunde mehr Bestsellerpotential mit als Katzen 😉 – – So komme ich nicht aus der Übung – und schiebe nicht zu viel Frust, wenn es wieder einmal heißt: Tut mir leid, momentan nehmen wir keine neuen Buchprojekte an.

Der Bestseller Code auf literaturkritik.de

Besprochen auch in der literaturzeitschrift.de

Und auch die FAZ widmet sich dem Buch, natürlich!

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