Sonntagabends bin ich Tatort-Kommentatorin. Multitasking ist dann gefordert: Twittern, Twitterkommentare lesen und natürlich die Tatorthandlung darüber nicht verpassen. Dagmar Manzel als Paula Ringelhahn zusammen mit Fabian Hinrichs im Franken-Tatort lasse ich auf jeden Fall nie aus. Als ich sah, dass Dagmar Manzel Daniela Kriens neuen Roman eingesprochen hat, war für mich klar, dass ich mir „Der Brand“ als Hörbuch herunterlade.
Zum Inhalt
Rahel und Peter sind seit fast 30 Jahren verheiratet. Der Sommerurlaub steht an. Die Hütte in Oberbayern, die sie für die Ferien gemietet haben, brennt ab. Durch Einschränkungen der Corona-Pandemie sind keine anderen Reiseoptionen möglich. Da ruft Ruth an. Ruths Mann Viktor hat einen Schlaganfall erlitten. Ruth möchte ihn in die Rehaklinik begleiten. Für diese Zeit braucht sie jemanden, der auf dem Hof die Tiere versorgt und nach dem Rechten sieht. Rahel sagt zu, für drei Wochen in die Uckermark zu fahren und die Tiere zu hüten.
Rahel und Peter brechen auf. Der Hof liegt abgeschieden. Eine Idylle erwartet sie. Es gibt einen See in der Nähe. Es ist heiß. Das Haus ist groß und die beiden können sich aus dem Weg gehen – nicht dass sie sich nicht verstünden, aber jeder von ihnen braucht mittlerweile einen Rückzugsort, einen Ort für sich, besonders Peter entzieht sich Rahel, um seinen Gedanken und Büchern nachzuhängen. Rahel sehnt sich nach mehr Austausch, nach mehr Intimität. Sie spürt ihr sexuelles Verlangen und kommt zu der traurigen Erkenntnis, dass Peter dieses Verlangen nicht erwidert. In der Uckermark tritt zutage, was beide längst wissen: Sie haben sich auseinandergelebt.
Als später ihre erwachsene Tochter mit ihren kleinen Söhnen übers Wochenende vorbeikommt, wird deutlich, dass es nicht nur zwischen Ruth und Peter, sondern auch zwischen Mutter und Tochter Spannungen gibt, die im Verborgenen schwelen. Und auch Rahels Tochter plagt sich mit Beziehungsproblemen …
Daniela Kriens Roman handelt von Beziehungen: Beziehungen zwischen Mann und Frau, Beziehungen im Alter, Beziehungen innerhalb der Familien und ihre tückischen Konstellationen, Rollen, die sich darin festgeschrieben haben und die man nur schwer wieder los wird. Und da gibt es auch Familiengeheimnisse, die belasten.
Es ist aber auch (und für mich war es das in erster Linie) eine Geschichte vom Altern. Wie altern Paare? Was verändert sich? Was passiert, wenn man sich auseinandergelebt hat, ohne es zu merken? Wenn Bedürfnisse nicht mehr erfüllt werden? Peter, ein Universitätsprofessor, Mitte fünfzig hat mit der „neuen Zeit“ zu kämpfen. Ihm fällt die Transgender-Debatte auf die Füsse, als er in einem Seminar einen Transmenschen falsch anredet. Rahel kann nicht ganz nachvollziehen, warum Peter diese Geschichte derart beschäftigt. Aber für ihn wird genau hier überdeutlich: Er ist alt. Er versteht die Jugend nicht mehr. Peter wirkt müde, ausgelaugt, in seiner Welt verhaftet. Rahel wirkt „aktiver“ und offener gegenüber Neuem, aber auch sie kann nicht ganz aus ihrer Haut. Auch sie schaut auf ihr Leben zurück und auf die offenen Fragen, wie z. B. die nach ihrem Vater.
Wo komm ich her, wo will ich hin? Es sind existentielle Fragen, die Daniela Krien ihren Protagonisten in die Ferien mitgibt. Ein schmales Büchlein, 272 Seiten, drei Wochen in der Uckermark. Trotzdem kam es mir unendlich lang vor. Und hier half auch Dagmar Manzels wunderbare Stimme nicht. Ganz im Gegenteil. Es kam mir so vor, als lege sich die Tristesse von Ruth und Peter auf ihre Stimmbänder. Die Sätze endeten in immer gleicher Tonlage. Das hat mich manchmal sehr gestört – und dann wieder dachte ich: ja, passt aber zum Duktus der Geschichte. Ruth, die wie ich erst Ende vierzig sein soll, wirkte auf mich wie Ende fünfzig, Peter noch einmal zehn Jahre älter. Was ich sagen will: Obwohl ich auch in der Lebensmitte stehe – oder schon darüber – konnte ich das Lebensgefühl von Ruth und Peter nicht gut nachvollziehen.
Auch sind mir die Aussagen zu den Unterschieden zwischen „Ost und West“ etwas aufgestoßen. Ich weiß, ich bin nicht naiv, es gibt sie, die Unterschiede, das Gefälle, aber platt zu behaupten, der Westen erbt sein Vermögen, der Osten mietet und kommt zu nichts, finde ich zu einfach. Vielleicht belegt das die Vermögensstatistik (ich habe das nicht überprüft), aber wenn das so ist, bin ich die Ausnahme. Im Westen aufgewachsen, habe ich nichts geerbt und auch keine Immobilie erworben (und wenn ich in meine Heimat reise, fahre ich durch Funklöcher und sehe Leestand in den Dörfern…). Bin ich der Einzelfall aus dem Westen? Gepampert wurde ich auf jeden Fall nie. Das mögen meine persönlichen Animositäten mit der Geschichte sein. Aber so ist es dann. Vielleicht sind es auch nur Nuancen.
Wenn es hier Sterne für „Der Brand“ zu verteilen gäbe, würde ich drei von fünf Sternen vergeben.