Das Therapiezimmer

Der Aufhänger der Geschichte liest sich spannend: Was wäre, wenn die vertraulichen Gespräche zwischen Therapeut und Patienten mitgehört würden – von einer dritten Person, von der niemand etwas ahnt? –

Aber von vorn:

Sam ist Therapeut. Mit seiner frisch angetrauten Frau Annie zieht er von New York zurück in die Kleinstadt, in der er aufgewachsen ist. Dort hat er schnell neue Klienten, vor allem Frauen suchen ihn gern auf, denn Sam ist ein Frauentyp. Er hatte viele wechselnde Beziehungen und möchte nun aber eine gute und beständige Ehe führen – und Annie scheint die richtige zu sein. Seine Bindungsprobleme rühren von seinen Erfahrungen in der Kindheit zurück: Sein Vater hat die Familie für eine andere Frau verlassen. Der Kontakt zu ihm ist völlig abgerissen. So trägt der Therapeut selbst Ballast mit sich herum, den er bisher erfolgreich verdrängt hat. Auch Annie scheint einiges erlebt zu haben. Beide möchten, dass ihre Ehe funktioniert und wollen sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen.

Dann meldet sich bei Sam eine neue Klientin und bittet ihn um Rat. Sie ist jung und hübsch. Eine Studentin mit französischem Akzent. Und von einen auf den anderen Tag verschwindet Sam spurlos. Ob sein Verschwinden mit dieser geheimnisvollen Frau zu tun hat? Oder doch eher mit dem gefährlichen Unwetter, das an diesem Abend wütete? Hatte Sam einen Unfall? Oder hat sein Verschwinden ganz andere Gründe? Schließlich ist Sam bis über beide Ohren verschuldet … und dann ist da auch noch jemand, der seine vetraulichen Gespräche mit seinen Patienten mitanhört.

Vorsicht: Spoiler!

So, die Serie an Buchhighlights ist für mich mit diesem Roman gebrochen, sorry! Schlecht war es nicht, aber kein Kracher. Erst einmal bin ich weder mit den Hauptfiguren Sam und Annie warm geworden. Beide scheinen keine einfache Vergangenheit gehabt zu haben, aber das bleibt doch recht oberflächlich erzählt. Annie hat Lust an Rollenspielen – das gibt ihr und ihrer Beziehung einen besonderen erotischen Kick. Lange Zeit war ich beim Hören des Buches auf einer vollkommen falschen Spur: Ich dachte – hörte , dass sie diejenige ist, die die Sitzungen ihres Mannes belauscht. Und diesen Eindruck hat auch der Klappentext vermittelt: „…dass Annie zu viel Zeit allein verbringt. Sam ahnt nicht, dass durch einen Lüftungsschacht all seine Therapiesitzungen im Obergeschoss zu hören sind“. Ich dachte auch, dass Annie diejenige ist, die ihren Mann täglich zur „Happy Hour“ einen Drink reicht und ihn mit „Hallo, Herzensbrecher“ begrüßt. Erst nach gut einem Drittel wurde mir klar, dass es nicht Annie ist, sondern eine dritte Person. War ich unaufmerksam? Oder sollte das jetzt ein überraschender Plottwist sein, eine bewusst ausgelegte falsche Spur? Vermutlich. Aber so habe ich die Story als viel tiefgründiger gehört und begonnen, als sie dann letztlich war: Ich dachte, Annie spielt nicht nur gern verschiedene Rollen, sie führt tatsächlich ein gefährliches Doppelleben, was mit ihrer Vorgeschichte zu tun hat. Dass es dann doch der „übliche“ Psychopath ist, der Sam kidnappt und dass dieser Psychopath mit der Geschichte der toten Frau in dem großen Herrenhaus zu tun hat – na ja, all das war dann ziemlich naheliegend.

Dass sich am Ende dann so alles, aber auch wirklich ALLES, in Wohlgefallen auflöst, inklusive aller Schuldenprobleme … puh, auch das war doch, ja, was, typisch amerikanisch?

Mein Fazit: Unglaublich und konstruiert oder unglaublich konstruiert. Wenn ich ausnahmsweise fünf Sterne zu vergeben hätte, würde ich mit Wohlwollen gerade mal drei vergeben.

Das Therapiezimmer von Aimee Molloy ist bei Rowohlt erschienen und als Audible Hörbuch erhältlich.

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