Eigentlich müsste als Autor nicht Kurt Krömer, sondern Alexander Bojcan auf dem Buchcover stehen. Denn hier geht es nicht um die Kunstfigur Kurt Krömer. Es geht um den Menschen dahinter, es ist eben keine Kunst, kein Fake, kein Schauspiel. Alexander Bojcan lässt die Maske Kurt Krömer fallen und gewährt einen Einblick in sein Seelenleben. Es hat etwas gedauert, bis ich mich an dieses Buch gewagt habe. Ist das schon Voyeurismus? Neugierde? Oder fühle ich mich als Seelenverwandte?
Von allem etwas. Auf jeden Fall hat meine Neugier gesiegt. Die meisten „Chez Krömer“-Folgen habe ich gesehen, natürlich auch das Gespräch mit Torsten Sträter – grandios und mutig und so wichtig und zu Herzen gehend, dass solche Begegnungen medial möglich sind. Dafür gab es den Grimme-Preis, u. a. mit der Begründung, dass Krömer und Sträter gemeinsam Metaphern finden,
Kurt Krömers Buch knüpft genau hier an: Wie erkennt man eigentlich, dass man depressiv ist und wie findet man den Weg in die Therapie – wo bekomme ich Hilfe? Für Kurt Krömer war es ein langer, sehr langer Weg. In seinem Buch macht er sich nackig (siehe Buchcover) und gewährt einen Blick auf die Person hinter den geschniegelten Anzügen.
Dieses Buch braucht man eigentlich in doppelter Ausführung: Als Printausgabe, um einige Sätze darin neonfarben anzustreichen. Als Hörbuch natürlich, weil Kurt Krömer (hier passt dann doch wieder die Kunstfigur – es krömert an manchen Stellen) das Buch selbst eingesprochen hat und ich sehe ihn förmlich vor mir, wenn er redet – und er redet so ungekünstelt und direkt und mit Berliner Schnauze, ich mag das sehr. Gleichzeitig ist da viel Wärme, viel Gefühl und der Mut, z. B. auch über Dinge zu reden, die man(n) eigentlich für sich behält: die Tränen und das Eingeständnis, man sei impotent …
Dass man auch aus Freude Weinen kann, in der U-Bahn, vor anderen oder still für sich, finde ich stark. Ich selbst gestatte mir sehr selten ein paar Tränen. Vielleicht sollte ich mehr weinen, denn Tränen zuzulassen, ist ein befreiender Akt.
Ich habe viel über Kurt Krömer/Alexander Bojcan erfahren, was ich nicht wusste, z. B. dass er vier Kinder hat und alleinerziehender Vater ist. Ich möchte hier nicht noch einmal Details zusammenfassen, das alles klingt so banal, wenn ich mich an einer Inhaltsangabe versuche. Ich empfehle allen, sich selbst ein Bild zu machen und das Buch zu hören oder zu lesen. Nur soviel möchte ich sagen oder mir wünschen: Ich würde sehr gern mal zum Kuchenessen vorbeikommen – Papageienkuchen habe ich noch nie gebacken. Unglaublich, aber wahr ist auch die Freundschaft zu Katharina Saalfrank. Über diesen Namen bin ich wirklich gestolpert, vermutlich weil ich ihn so lange nicht gehört habe. Gibt es die „stille Treppe“ noch? Hoffentlich nicht. (Katja Saalfrank hat sich mittlerweile selbst davon distanziert.) Mit ihren Erziehungstipps konnte ich nichts anfangen, auch habe ich sie als humorlos in Erinnerung. Aber – und auch das ist keine neue Erkenntnis – wie schnell bildet man sich ein Urteil über Menschen im TV, die man gar nicht kennt? Ok, geschenkt. Klar, dass man mit diesem Urteil dann oft falsch liegt (und Katja Saalfrank natürlich eine gute Familientherapeutin mit viel Humor ist!) … aber so sind wir Menschen wohl gestrickt, oder? Da sitzen wir vor der Klotze und meinen wir sind Teil der Show und haben voll den Durchblick.
Mein persönliches Fazit:
Ich bin Fan der Kunstfigur Kurt Krömer. Und jetzt mag ich auch Alexander Bojcan. Danke für dieses wertvolle Buch. Es zeigt, dass es sich lohnt, die Hosen runterzulassen. Wer sich angreifbar macht, wird stärker. Der Titel, abgekupfert bei Heinz Erhardt, ist bereits die beste Zusammenfassung: Du darfst nicht alles glauben, was du denkst.
PS: …dass es den Titel so oder ähnlich schon gab, s. Alexandra Reinwarth mit „Glaub nicht alles, was du denkst“ ist egal, macht es nicht weniger wahr, oder?
Kurt Krömer bei Audible als Hörbuch.
Kurt Krömer als Printausgabe im Kiwi-Verlag.
Hier könnt Ihr Euch durchklicken – das Netz ist natürlich voll von Berichten und Interviews!
Ernsthaft: Kurt Krömer im Gespräch mit Markus Feldenkirchen.
Lustig: Kurt Krömer bei Late Night Berlin.
Kritisch: Denis Scheck sagt über Kurt Krömers Werk: „So sehr mein Mitleid dem Kranken gilt, so sehr ärgert mich die flache, anwanzerische Sprache dieses Buchs, dessen skatologischer Stil – „drauf geschissen“, „verarschen“, „Die Beziehung war im Arsch“ – richtig nervt.“