Dies ist Rizzoli und Isles 13. Fall. Unglaublich, aber wahr. Tess Gerritsen liefert seit vielen Jahren zuverlässig Kriminalromane ab. 2003 fiel sie mir mit „Kalte Herzen“ zum ersten Mal auf. Die nachfolgenden Bände habe ich natürlich gelesen, dann aber eine lange Pause gemacht. Von daher ist „Mutterherz“ für mich eine Reminiszenz an alte Zeiten – eine schöne Erinnerung an spannende Unterhaltung in den 2000er Jahren. Trifft das auch noch 20 Jahre später zu?
Detective Jane Rizzoli und Gerichtsmedizinerin Maura Isles sind zwei interessante Charaktere, die sehr unterschiedlich sind und deren Geschichten bereits in vergangenen Bänden erzählt wurden. Man könnte meinen, dass Mutter Rizzoli, Angela, als dritte Ermittlerin in „Mutterherz“ hinzugekommen ist. Aber dieser Erzählstrang ist auch anstrengend … aber von vorn.
Zum Inhalt
Sofia Suarez, eine Bostoner Intensiv-Krankenschwester, wird mit einem Hammer brutal in ihrer Wohnung erschlagen. Ihr Laptop und Handy sind verschwunden – beides keine Gegenstände von großem Wert. Für Jane Rizzoli sieht das nicht nach einem klassischen Einbruch aus, vor allem die Brutalität, mit der Sofia getötet wurde, gibt Rätsel auf. Kannte sie den Täter? Hat sie ihn selbst in die Wohnung gelassen?Auch die Auswertung von Sofias Telefonverbindungen wirft Fragen auf. Sie hat Kontakt gesucht mit einer Kollegin, die sie seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen hat. Und da ist noch die Nummer, die zu einem Wegwerfhandy gehört, die in den Wochen vor Sofias Tod immer wieder auftaucht … Jane Rizzoli versucht nachzuvollziehen, womit sich Sofia vor ihrem Tod beschäftigt hat.
Auf Sofias Beerdigung sind auch ihr Chef, Dr. Antrim, und seine Tochter Amy anwesend. Amy wurde von Sofia nach einem Autonunfall liebevoll auf der Intensivstation gepflegt. Amy wiederum trifft auf der Beerdigung auf einen fremden Mann, der ihr bekannt vorkommt, der dann aber Hals über Kopf verschwindet. Der Unbekannte scheint sowohl zu Amy, als auch zu Sofia eine Verbindung zu haben. Ist er Sofias Mörder? Und bedeutet das, dass Amy in Gefahr ist?
Parallel zu diesem Fall ist es Angela Rizzoli, die in ihrer Nachbarschaft hinter jeder Tür das Verbrechen wittert. Die Tochter ihrer Nachbarn ist verschwunden. Angela bittet Jane, in diesem Fall zu ermitteln. Jane sieht hier keinen Handlungsbedarf – erstens ist sie nicht zuständig und zweitens ist das Mädchen nicht das erste Mal von zu Hause weggelaufen. Darüber hinaus ziehen in Angelas Straße neue Nachbarn ein, die Greens. Das Ehepaar ist Angela von Anfang an nicht geheuer. Die beiden wirken distanziert, geradezu kalt und desinteressiert an ihrer Umgebung. Noch nicht einmal ihr Begrüßungsgeschenk, ihr beliebtes Zucchinibrot, ist bei den Greens willkommen. Da stimmt doch was nicht! Angela behält ein wachsames Auge auf das Haus gegenüber. Als sie bemerkt, dass Mr. Green eine Waffe bei sich trägt und die Fenster des Hauses mit Gittern sichert, ruft sie die Polizei – dort kennt man sie schon. Der Polizei – und vor allem ihrer Tochter – fällt sie zumindest gehörig auf die Nerven. Hat es Angela mit ihrer Sorge um ihre Nachbarn übertrieben? Zumindest in einem Fall wird Angela Recht behalten.
Was mir nicht gefiel
Worauf die Autorin besonderes Augenmerk legen wollte, sind die Mutter-Tochter-Beziehungen. Sie werden als durchweg schwierig dargestellt, bleiben aber völlig an der Oberfläche. Die Perspektive wechselt hin und her zwischen den verschiedenen Personen Jane, Angela, Amy und Maura – aber nirgendwo geht es in die Tiefe.
Jane und Maura erscheinen in Mutterherz „blass“, sie sind eher Randfiguren, das ist schade. Von Jane geht der Fokus weg hin zu ihrer Mutter. Über Maura erfahren wir nur, dass sie in einem Ärzteorchester ein Klaviersolo spielt und sich darauf vorbereiten muss. Das nimmt einen gewissen Raum ein, auch das Konzert und der anschließende Empfang spielen eine größere Rolle. Da es zwischen Maura und Dr. Antrim eine Verbindung zum Mordfall Sofia gibt, hätte ich hier eine wirkliche Spannungskurve erwartet, aber auch dieser Handlungsstrang war, finde ich, sehr einfallslos und fad bzw. einfach vorhersehbar.
Dafür nimmt Angela Rizzoli einen großen Part ein. Sie beobachtet alles, was in der Nachbarschaft vor sich geht und zieht ihre eigenen Schlüsse daraus. Sie ist die „wachsame Nachbarin“, eine Art Straßensheriff. Sie ist unglaublich neugierig. Alles, was sie sieht, deutet und beurteilt sie. Was sie nicht versteht, ist ihr sofort suspekt. Mir persönlich sind solche Personen sehr unsympathisch. Ich bin hin und her gerissen: Manchmal mochte ich Angela, aber meistens fand ich sie so anstrengend, wie auch ihre Tochter Jane sie anstrengend findet. Und die Auflösung ihrer beiden „Kriminalfälle“ (gleich mehrere Verwicklungen in Angelas Nachbarschaft, natürlich…) war kaum überraschend, sondern ziemlich durchschaubar zusammengezimmert, zumindest die Sache Green.
Was mich aber auch etwas ratlos macht: Dass nicht wirklich gut ermittelt wurde, kein spannendes Puzzle, das nach und nach ein Bild ergibt. Dem Schlüsselhinweis sind sie erst ganz zum Schluss – eher zufällig, angestoßen durch eine Unterhaltung mit Angela, nachgegangen. Dabei drängte sich doch bereits ganz am Anfang der Zusammenhang zwischen der toten Krankenschwester, Amy und der seltenen Blutgruppe auf. Okay, die Leser*in weiß immer mehr … im Fall eines Krimis oder Thrillers möchte ich dennoch überrascht werden. Zum Schluss der Geschichte überschlagen sich die Ereignisse. Bis dahin dümpelt der Plot leider dahin.
Mein Fazit
„Mutterherz“ bietet für mich nicht die Tess Gerritsen, die ich früher so gemocht habe. Wer spannende Unterhaltung sucht, greift vielleicht doch lieber zu Autorinnen wie Julie Clark oder Ruth Ware.
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