In einer Zeit, in der Klopapier gehortet wird, greift man vielleicht auch automatisch zu einem Buch, auf dem eine Klopapierrolle abgebildet ist. Oder was will uns der Verlag damit sagen? Dass wir im Notfall die Seiten des Buches auch als Klopapier verwenden können?
Soweit würde ich nicht gehen, aber überzeugt hat mich Heike Geißler „Die Woche“ auch nicht.
Dabei hätte ich es wissen können. Hätte ich den Klappentext aufmerksamer gelesen, wäre mir eins aufgefallen: Es gelingt nicht, den Inhalt des Buches stringent in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Der Klappentext besteht aus dem, was das Buch ausmacht: einer Ansammlung aus Worten. Rätselhafte Andeutungen, hingeworfene Puzzelteile, aus denen leider kein Gesamtbild entsteht, höchstens eine Ahnung, eine Meinung – politische Meinungsfragmente.
„Wir gehen aus dem Haus. Wir zerreißen die Fäden, die in der Luft hängen, das sind Gespinste von gestern. Die Kinder wollen beim Karussel bleiben, das nun fertig zu sein scheint, aber seinen Betrieb noch nicht aufgenommen hat. Das mag an der Uhrzeit liegen. Schulpflicht, sage ich. Ich nehme sonderbare Wörter in den Mund. Ja, sagt Constanze, schreiben wir doch die Geschichte sonderbarer Wörter. Ja, sage ich, schreiben wir doch die Geschichte sonderbarer Wörter nur mit sonderbaren Wörtern. Dann werden die Wörter schon sehen, was sie können und was sie davon haben. (S. 86)“
Das liest sich zunächst originell und beschreibt genau, was die Autorin bietet: eine Geschichte sonderbarer Wörter. Ich liebe das Wort „Gespinst“ – aber hier wirkt es sonderbar herausgelöst aus dem Kontext. Wörter klingen wie Stolpersteine. Oder Wörter, die sich selbst genug sind?
Da wird Brecht zitiert. Und wunderschöne, klangvolle Vokabeln des Bildungsbürgertums benutzt. Ist das bereits lesenswert (300 Seiten ohne Handlung für 24 Euro?)? Die Liebe zu Klang und Form der Wörter? Für einen Gedichtband wäre das genug. Aber für einen Roman? Vieles wird angedeutet, wenig zieht sich wirklich durch, greift ineinander, ergibt eine Erzählung. Es ist ein Steinbruch an Wörtern, an Phrasen, an Lyrik, im besten Fall eine Essaysammlung. Metaphernreich. Schon oder vor allem der Montag. Die Montage besitzen eine politische Geschichte – bis heute, ganz aktuell. Das verstehe ich. Und ich denke nicht nur an die Montagsdemonstrationen, die zur Wende geführt haben, sondern auch an Querdenker-Aufmärsche – oder in der vergangenen Woche die Schlagzeile: „Rechte und Linke protestieren gegen hohe Energie- und Lebensmittelpreise“. Hauptsache auf die Straße. Hauptsache gegen „etwas“ sein. Der rechte Rand. Der klinke Rand. Und eine schweigende Mitte. Das alles schwingt in „Die Woche“ mit – bringt bei mir aber nichts Neues in Schwingung, die Woche voller Montage.
„Eine Handlung gibt es in dem Buch nicht“, resümiert Helmut Böttiger (Deutschlandfunk Kultur). Zwei Frauen. Eine Ich-Figur und deren Freundin Constanze. „Sie sind das „Wir“. Im Künstlermilieu unterwegs und arrangieren stakkatoartig, in einem hämmernden Präsenz, ihre Wahrnehmungen. Dabei ist weniger entscheidend, was sie sagen, als wie: in akademisch und avantgardistisch daherkommenden Sprachspielen. (Helmut Böttiger)“
Tut mir leid. Ein Buch – kein Roman – das allein fürs Feuilleton geschrieben wurde. Dann doch lieber Klopapier …
Heike Geißler: Die Woche, Suhrkamp Verlag, März 2022, 316 Seiten.