Einsame Nacht

„Einsame Nacht“ spielt über die Weihnachtsfeiertage und zwischen den Jahren. Der Unterton klingt melancholisch, traurig und wirkt leicht depressiv. Und – wie der Titel schon sagt – leiden die Menschen in Charlotte Links Roman an Einsamkeit, nicht nur Kate Linville geht das so. Am besten liest sich das in eine Decke gekuschelt und bei einer Tasse Tee, während es draußen unwirtlich kalt und dunkel ist. Also vielleicht noch etwas warten, bis die Zeit für „Einsame Nacht“ reif ist … die sommerlichen Temperaturen in diesem Oktober passen so gar nicht zum Setting dieses Kriminalromans.

Einsame Nacht

Charlotte Link schickt zum vierten Mal Kate Linville als Ermittlerin ins Rennen. Und wer Charlotte Link kennt und ihre Kriminalromane schätzt, bekommt, was man bestellt hat: einen soliden Fall zum Miträtseln im klassischen Still eines „Whodunit“-Krimis. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt, auch wenn die Auflösung etwas arg konstruiert war.

Die Geschichte beginnt mit einem Rückblick auf einen Tag im Sommer 2010. Alvin Malory, 16 Jahre alt, 175 cm groß und 168 kg schwer, wird zu Hause überfallen, schwer mißhandelt und liegt seither im Wachkoma. Der Angreifer wird nie ermittelt und zur Rechenschaft gezogen.

Dann springt die Geschichte in die Gegenwart. Es ist kurz vor Weihnachten. Kate Linville sieht stillen Weihnachtsfeiertagen entgegen. Wie wir mittlerweile alle wissen, lebt sie mit ihrer Katze zusammen. Die meiste Zeit im Jahr ist sie mit sich und ihrem Leben einigermaßen zufrieden – außerdem hat sie beruflich genug zu tun – aber die Feiertage werfen trotzdem einen dunklen Schatten auf ihr Singledasein. Kein Freund, keine Freundin, keine Familie, mit der sie Weihnachten verbringen könnte. In diesem Jahr kann sie die Situation nicht mehr ändern, aber im nächsten Jahr möchte sie mehr unter Leute gehen, Menschen kennenlernen – und vielleicht einen Mann. Darum beschließt sie, einen Kochkurs für Singles zu buchen, der im Januar anfängt und über mehrere Wochen andauert. Der Kochkurs, so hofft sie, bietet ihr Zeit genug, um dort in ungezwungener Atmosphäre neue Bekanntschaften zu schließen.

Als eine Teilnehmerin des aktuellen Singlekochkurses erstochen in ihrem Auto auf einem winterlichen Feld gefunden wird, rutscht Kate als verdeckte Ermittlerin auf den nun frei gewordenen Platz. Damit kann sie wohl ihren Plan, über den Kochkurs einen netten Mann kennenzulernen, aufgeben. Nun ja, da gibt es ja auch noch ihren Ex-Kollegen Cable, den sie zu einem Cold Case befragen muss. Sie und Cable passen eigentlich ganz gut zusammen, aber bevor es romantisch werden kann, flieht Kate lieber und Cable greift wieder einmal zum Alkohol.

Eigentlich „passiert“ auf den 550 Seiten nicht so viel, dass ich von einem klassischen Pschychothriller sprechen würde. Aber ehe man es sich versieht, sind 8 Menschen tot. Ein Serienkiller? Aber wie hängen die Fälle zusammen? Wo ist der rote Faden? Und was hat Alvin Malory damit zu tun?

Auf der Suche nach der inneren Logik habe ich selbst verschiedene Thesen aufgestellt. Puzzleteil für Puzzleteil kam hinzu. Die Leser*in wusste durch Einschübe aus der Perspektive des Mörders, dass dieser mit starkem Übergewicht zu kämpfen hatte und ihn bereits als Junge üble Mordfantasien plagten.

Kritik

Den falschen Fährten, denen die Polizei folgte, z. B. dass Mila die Täterin sei, fand ich so an den Haaren herbeigezogen … die „Plausibilität“ der Taten war recht schwach, die Auflösung, also die Motive des Täters, starkt konstruiert. Trotzdem hat mich die besondere Stimmung, Kate Linvilles Depri-Phase und ihr überraschender One-Night-Stand gut unterhalten.

In diesem Blog steht „Einsame Nacht“ nun direkt neben „Lügen über meine Mutter“ – zwei Romane, die verschiedener nicht sein könnten. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit: Daniela Dröscher thematisiert das Gewicht ihrer Mutter. Die Mutter wurde von ihrem Ehemann aufgrund ihres Gewichts tyrannisiert. Charlotte Link nimmt sich auch dieses Themas an. Zwei ihrer zentralen Figuren sind unfassbar dick und werden aufgrund ihrer Leibesfülle gehänselt. Die Themen Schönheit, Körperkult und Körpergefühl und der daraus resultierende Selbstwert werden auf sehr unterschiedliche Weise angegangen. Für mich spannend in zwei aufeinanderfolgenden Romanen darüber zu lesen und nachzudenken.

Hier noch einmal die Kate-Linville-Reihe:

Die Betrogene

Die Suche

Ohne Schuld

Einsame Nacht

… übrigens wurde das Hörbuch von Claudia Michelsen ganz wunderbar eingelesen!!! Wie immer kann ich das nur empfehlen und ihre Stimme passt so gut zur Atmosphäre der Geschichte.

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