Es könnte sich bei „Die Terranauten“ um Science-Fiktion handeln: „Der Weltraum, unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer der Terranauten-Crew, die sich aufmacht, neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen.“
T. C. Boyle findet seinen Erzählstoff nicht Lichtjahre entfernt, sondern sehr real in der Wüste Arizonas. Dort fand in den 1990er Jahren ein Biosphärenprojekt statt, das zeigen sollte, ob Menschen autark von der Außenwelt in einem eigens geschaffenen Ökosystem überleben können. Dazu wurde ein Areal in der Größe zweier Fußballfelder mit Glaskuppeln von Biosphäre 1, der Erde, abgekoppelt: eine Miniaturwelt mit Savanne, Ozean, Regenwald, Mangrovensumpf und Wüste. (Allein daran wird deutlich, wie ambitioniert das Projekt angelegt war…) Schon während der ersten Biosphärenmission gab es erhebliche Probleme, v.a. mit der Sauerstoffversorgung. Die zweite Mission musste vorzeitig abgebrochen werden.
T. C. Boyle lässt seine Terranauten vierundzwanzig Monate durchhalten. Auch sie haben unter Hunger und geringer Sauerstoffkonzentration zu leiden. Doch das, was ihnen das Leben schwermacht, ist nicht allein ihre Umwelt, sondern die menschliche Natur an sich: Sie sind ihrem eigenen Ehrgeiz, Geltungsdrang, Neid, Missgunst und der Macht der Triebe ausgeliefert. Die „Alles-im-Dienste-der-Wissenschaft-Fassade“ bröckelt schnell. Wie verhalten sich Menschen unter Reagenzglasbedingungen? Das beschreibt T.C. Boyle meisterhaft (er zieht seine Charaktere bis aufs Hemd aus) und mit einer Akribie, die mich genauso fasziniert wie manchmal (stellenweise) ermüdet.
Übrigens: Das Biospährenprojekt in den USA ist nicht das einzige seiner Art. Es gibt weitere Experimente, die darauf abzielen, Bedingungen zu erforschen, unter denen Menschen fremde Planeten besiedeln können. Bereits in wenigen Jahren könnten tatsächlich die ersten Menschen in Richtung Mond aufbrechen… Hier gäbe es noch eine Menge weiteren Erzählstoff.
T. C. Boyle: Die Terranauten, Hanser Verlag, 608 Seiten, 9. Januar 2017.