Thea Dorns neuester Wurf ist nicht zu vergleichen mit früheren Werken wie Die Hirnkönigin oder Der Brut – sie erscheinen im Rückblick wie belanglose Fingerübungen (trotzdem: Danke dafür!). Nun also: Die Unglückseligen. Es geht um nicht weniger als das ewige Leben. Damit hat Thea Dorn auf Anhieb mein Interesse geweckt. Wie halte ich es mit der Sterblichkeit? Würde ich zugreifen, wenn die Chance bestünde, ewig zu leben (oder das Leben wenigstens um ein paar Jahrhunderte auszudehnen)?
Dr. Johanna Mawet (hebr. für Tod) forscht genau daran: an der Unsterblichkeit. Sie trifft auf einen verwirrt wirkenden älteren Herren, der, wie sich rausstellt, nicht dement, sondern ganz im Gegenteil blitzgescheit und schon 240 Jahre alt ist. Thea Dorn greift mit ihrer Romangestalt auf das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter zurück, der seinerzeit von Persönlichkeiten wie Goethe, Herder oder Humboldt geschätzt wurde, den heute aber kaum einer mehr kennt. Ritter starb jung, mittellos und ohne seine Studien zu Ende gebracht zu haben. Durch Thea Dorn wird Johann nun – 2016 – zu Johannas Gegenpart: der Lebensmüde gegen die Lebenshungrige, die glaubt, mit Hilfe Ritters das Geheimnis der Unsterblichkeit lüften zu können.
Thea Dorn hat akribisch recherchiert. 560 Seiten sind es geworden. Manchmal mäandern die Gedanken Ritters (oder der Autorin) durch das weite Tal deutscher Geschichte – dann habe ich – Verzeihung! – quergelesen. Vielleicht liegt das natürlich an meinen Lesegewohnheiten im Allgemeinen und meinen intellektuellen Fähigkeiten im Besonderen. Dieser Roman verlangt Konzentration und Durchhaltevermögen – und ein gewisses Interesse an der deutschen Romantik. Die Unglückseligen haben mich fasziniert und doch auch streckenweise zu Tode gelangweilt. Aber ich habe durchgehalten. Ich bin bei der Lektüre kein Stück jünger, aber durchaus etwas klüger geworden. Nun habe ich mir erst einmal ein paar Bücher über Goethe und die Romantik bestellt …
