4321… fertig! 1300 Seiten, 7 Kapitel, je 4 Varianten einer Geschichte. Das erfordert Konzentration, um den vier unterschiedlichen Erzählsträngen folgen zu können – für mich definitiv keine Bettlektüre, schon gar nicht bei einem 1280-Gramm-Buch. Im Mittelpunkt steht ein Junge namens Archie, der Enkel jüdischer Einwanderer, Sohn von Stan und Rose Ferguson, die sich für den Traum vom amerikanischen way of life abrackern – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Dazwischen Archie, der gern mit Geschwistern aufgewachsen wäre, nun aber als Einzelkind das Heranwachsen bewältigen muss.
4321 erzählt ein Stück amerikanische Geschichte, vor allem der 50er und 60er Jahre: biederes Vorstadtleben, wachsender Wohlstand, Studentenaufstände, Bürgerrechtsbewegung, Vietnamkrieg. Dazu noch etwas Filmgeschichte und – nicht zu vergessen – Literaturgeschichte, denn die Liebe zu Büchern und das Schreiben ist eine Konstante in Archies ansonsten so unterschiedlich verlaufenden Leben.
4321 ist aber auch ein Bildungsroman: Unser Held Archie muss vom Kind zum Manne reifen und sucht nach seinem Weg im Leben und nach sexueller Orientierung. Steht er auf Frauen oder doch auf Männer? Schwärmereien, erste Liebe, erster Sex – in unterschiedlichsten Konstellationen und mit unterschiedlichstem Ausgang.
4321 – Braucht es das alles tatsächlich in vier Variationen? Ich sage: Ja. Weil unser Leben nicht stromlinienförmig verläuft, sondern von vielen Faktoren beeinflusst wird. Stellt die (göttliche) Vorhersehung oder der Zufall die Weiche? Steht ein Plan hinter meinem Leben? … Für mich wirft Auster philosophische Grundfragen auf, die mich immer noch und immer mal wieder beschäftigen und für die Archie Ferguson nur das Exempel ist, an dem das Leben mit seinen Möglichkeiten und Widersprüchen durchbuchstabiert wird. Und ich setze noch eins drauf:
4321 ist für mich ein Stück „Fänger im Roggen“ in epischer Länge. Und es beschleicht mich der Verdacht, dass es kein Zufall ist, dass beide – Paul Auster und Archie – Jahrgang 1947 sind… 4321 – eine sehr persönliche Hinterlassenschaft, schon jetzt.