Eigentlich widme ich mich hier nur den aktuellen Titeln. Für Das Seelenhaus mache ich eine Ausnahme. Der Stoff wird bereits mit Jennifer Lawrence in der Hauptrolle fürs Kino verfilmt (Buriel Rites). Warum konnte die junge Australierin Hannah Kent mit ihrem Debüt, einer Geschichte, die auf Island spielt, einen solchen Welterfolg landen? Weil der Roman unfassbar gut ist. Hannah Kent entwirft in einer einfachen, klaren und manchmal sehr hart klingenden Sprache ein karges Panorama aus Flechten, Moos und Torf mit Menschen, die Schwielen an den Händen haben und die der Natur das Nötigste, was sie zum Leben brauchen, abtrotzen. Wir befinden uns auf Island um 1830:
Agnes Magnusdottir wird angeklagt und für schuldig befunden, zwei Männer grausam getötet zu haben. Bis das Urteil – die Todesstrafe – vollstreckt werden kann, muss sie auf einem Hof als Magd Dienst tun. Agnes ist froh, dem Kerker entkommen zu sein, und das zu tun, was sie kann: hart arbeiten. Auf dem Kornsáhof erwartet sie feindselige Ablehnung. Vor allem die strenge Hausherrin Magret kann sich nur schwer mit der Anwesenheit „der Teufelin“ abfinden.
„Der Kornsáhof. Mein letzter grimmiger Fleck. Mein letztes Bett, mein letztes Dach, mein letzter Boden. Diese ganze Letztlichkeit erfüllt mich mit einem spitzen Schmerz, als bliebe nichts mehr übrig, nur der Rauch verlassener Feuer.“
Während der regelmäßigen Besuche des jungen Vikars, der Agnes die Beichte abnehmen soll, damit ihre Seele Frieden finden kann, öffnet sich die Verurteilte nach und nach. Schließlich hängen auch die anderen Hausbewohner in den langen dunklen Nächten des isländischen Winters an Agnes Lippen. Agnes Geschichte bricht sich Bahn in die Herzen ihrer Zuhörer (und Leserinnen und Leser) wie isländisches Leimkraut, das sogar auf Felsgestein einen Weg zum Wachsen findet. Magret ist die erste, die Zweifel an Agnes Schuld hat. Auch der Geistliche ist sich bald nicht mehr sicher, bei wem Schuld und Sühne zu suchen sind. Am Ende aber ist eins sicher: Agnes Tod.
Es geht um Liebe und Freundschaft, Recht und Unrecht, um Menschlichkeit und deren Abwesenheit. Auch drei Jahre, nachdem ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, bekomme ich noch eine Gänsehaut. Klar, dass sich Hollywood die Filmrechte gesichert hat. Bis der Film aber in die Kinos kommt, bleibt genug Zeit, das Buch noch einmal zu lesen.
Apropos: Hannah Kents neuer Roman Wo sich drei Flüsse kreuzen erscheint am 1. September 2017….
Hannah Kent: Das Seelenhaus, Droemer HCgut, August 2014, 384 Seiten.