Den Tausch von Julie Clark reiche ich hiermit nach. Unglaublich, dass ich das Buch letztes Jahr gehört und gelesen, aber nicht auf dem Lettergirlblog erwähnt habe. Es ist bei uns, meine ich, schon Anfang 2021 erschienen. Wie konnte ich das Buch nur übergehen? Es fiel mir erst auf, als ich letzte Woche „Der Plan“ vorgestellt habe. Aber: Es ist nie zu spät … also denn:
Ich fange mal ganz vorne an. Bei der Widmung:
„All jenen Frauen gewidmet, die ihre Geschichten erzählt haben – ob vor laufenden Kameras in einem parlamentarischen Untersuchungssausschuss oder allein in einem fensterlosen Personalbüro. Wir hören euch. Wir glauben euch.“
2017 wurde Harvey Weinstein sexuelle Nötigung, Belästigung und Vergewaltigung vorgeworfen. In Reaktion auf den Weinstein-Skandal rief Alyssa Milano via Twitter Frauen dazu auf, ihre Erfahrung mit sexueller Gewalt zu teilen. Der Hashtag #MeToo trendete weltweit. Seitdem wurde viel geschrieben, diskutiert, gestritten – es ist ein Veränderungsprozess, in dem wir noch mittendrin stecken. Das hat der Frauenbewegung neuen Schwung gegeben. Denn wir Frauen gelten ja immer noch und viel zu oft als „das schwache Geschlecht“. Es ist an uns, Geschlechterrollen transparenter zu machen, über Machtsstrukturen zu reden und die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen. Das ist gar nicht so einfach, denn:
„Das Geschlechterverhältnis spielt auf mehreren Ebenen: erotischen, sozialen, ökonomischen, politischen. Seit die Gleichberechtigung Gesetz wurde, also seit zwei Generationen, werden Berufsfelder und Öffentlichkeit weiblicher, Männer und Frauen begegnen einander immer öfter auf Augenhöhe, Frauen gewinnen an Eigenständigkeit und somit an Macht (Barbara Siechtermann, Deutschlandfunkkultur).“
Dass es trotz allem immer noch genügend Machtmissbrauch zwischen Mann und Frau gibt, emotionale und ökonomische Abhängigkeiten bestehen, ist unbestritten. Das war jetzt vielleicht ein langer Anlauf für Julie Clarks Thriller, denn es ist schließlich „nur“ ein Thriller, ein spannender Roman und keine feministische Festschrift. Aber ich stelle mir vor, dass sie diesen Roman vielleicht unter den Eindrücken von #metoo geschrieben hat. Wie auch ihr aktuelles Werk handelt „Der Tausch“ von zwei Frauen, die wieder einmal sehr unterschiedlich sind, aber deren Biographie durch eine schicksalhafte Begegnung und eine recht spontane Entscheidung miteinander verknüpft sind. Beide agieren auf ihre Weise gegen ein von Männern dominiertes Umfeld – und setzen sich zur Wehr.
Claire ist die Frau des einflussreichen Politikers Rory Cook. Sie ist eine Vorzeigegattin für den statusorientierten Ehemann. Die Ehe verläuft harmonisch. Claire widmet sich voll und ganz ihren repräsentativen Pflichten als Politikergattin. Doch hinter verschlossenen Türen tyrannisiert sie ihr Ehemann. Er schlägt, demütigt und mißhandelt sie, wo er nur kann. Claire erlebt die Hölle auf Erden. Jeder ihrer Schritte wird überwacht. Da beschließt sie, ihren Mann zu verlassen. Eine Scheidung würde er nie akzeptieren. Claire hat etwas Geld unbemerkt zurückgeleht. Sie muss unbemerkt und unauffällig verschwinden. Auf keinen Fall darf sie Spuren hinterlassen.
Als Claire allein nach Puerto Rico fliegen soll, um ihrem Ehemann dort auf einer Wahlkampfveranstaltung zu unterstützen, sieht sie ihre Chance gekommen. Claire hat bereits alles geplant. Dann begegnet sie auf dem Flughafen Eva. Eva kommt aus Kalifornien und wird von der Polizei gesucht, da sie ihrem todkranken Ehemann aktive Sterbehilfe geleistet hat. Beide Frauen beschließen spontan, ihre Tickets und ihre Identitäten zu tauschen.
Eva fliegt nach Puerto Rico. Claire nach Kalifornien. Als Claire in Kalifornien landet, erfährt sie aus den Nachrichten, dass die Maschine, die sie ursprünglich nach Puerto Rico fliegen sollte, abgestürzt ist. Offiziell gilt sie nun als tot. Claire trauert um die arme Eva – doch dann sieht sie Eva auf Liveübertragungen vom New Yorker Flughafen. Warum hat Eva das Flugzeug nicht bestiegen? Claire versucht, mehr über die unbekannte Frau herauszufinden. Sie stellt bald fest, dass Eva ihr nicht die Wahrheit gesagt hat. Und während sich Claire zunächst in Sicherheit wiegt, lauern neue Gefahren auf sie. Und dann erfährt Rory, dass der Platz seiner Frau im Flugzeug frei geblieben ist. Einen Rory Cook verlässt man nicht. Rory begibt sich auf die Suche …
Ich fand es spannend, kurzweilig und klug erzählt und das Ganze in typischer Julie Clark Manier auf verschiedenen Zeitebenen. Den roten Faden verliert man – frau – trotzdem nie. Mehr als solide Sommerunterhaltung!